„Totengebet“ zum Kopfkino gemacht
Ein „Totengebet“ in der Kirche ist nichts Ungewöhnliches. Es sei denn, es kommt in jener mörderischen Variante daher, wie am Mittwochabend in der Matthäuskirche: Die mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnete Autorin Elisabeth Herrmann präsentierte dort ihren gleichnamigen neuen Roman.
Auf Einladung des Gütersloher Clubs Soroptimist, internationales Netzwerk berufstätiger Frauen, und der Rhedaer Buchhandlung Lesart stellte die Erfolgsautorin das fünfte Abenteuer ihres unfreiwilligen Helden, des Berliner Rechtsanwalts Joachim Vernau, vor. Club-Präsidentin Professor Dr. Andrea Kaimann begrüßte rund 130 Gäste.
Wer die gelungenen ZDF-Verfilmungen mit Jan Josef Liefers in der Titelrolle kennt, der sah den mitunter etwas linkisch wirkenden Rechtsanwalt förmlich vor sich. Denn Elisabeth Herrmann lieferte mit perfekt modulierender Stimme griffige Charakterstudien und plastische Szenarien. Echtes Kopfkino.
Die in Berlin ansässige Autorin, die eine Ausbildung zur Bauzeichnerin machte, ehe sie nach ihrem Studium als Fernsehjournalistin 15 Jahre lang Reportagen für den Rundfunk Berlin-Brandenburg drehte, gelang 2005 mit dem Krimi „Das Kindermädchen“ der literarische Durchbruch. Seitdem ist die 56-Jährige, als Krimi- und Jugendbuchschreiberin erfolgreich. Allein ihr „Dorf der Mörder“, so verriet sie nach der Lesung nicht ohne Stolz, erreichte eine 200 000er-Auflage – was für einen deutschen Krimi schon eine Leistung ist. Denn anders als in amerikanischen Büchern dieses Genres, setzt Herrmann auf Psychogramme. „Schreien, schlitzen und häuten, das ist nicht mein Metier“ bekannte sie gut gelaunt. „Trotzdem geht’s auch bei mir mitunter richtig zur Sache.“ Und so erlebte ihr gespannt lauschendes Publikum, dass mancher Geist der Vergangenheit auch schon mal mit dem Baseballschläger zuschlägt.
Den Erlös der Veranstaltung werden die Soroptimistinnen, die für eine Verbesserung der Lebenssituation von Frauen regional wie weltweit eintreten, dem Hilfsprojekt „Driving Doctors“ in Sierra Leone spenden.
Beim „Totengebet“ passiert das in einem israelischen Kibbuz. Dort war Vernau 1987 als Jugendlicher mit drei anderen Deutschen im Einsatz. Dort erlebte er eine Sommerliebe. Und dorthin flüchtet er nun, nachdem ihn in Berlin zwei Hooligans bis zur Amnesie krankenhausreif geschlagen haben und er plötzlich des Mordes an dem Juden Rudolph Scholl bezichtigt wird. Damit nicht genug: Aus dem Nichts taucht die junge Israelin Rachel auf und verdächtigt ihn, ihr Vater zu sein. Sie hat ein Bild aus dem Nachlass ihrer Mutter, auf dem Vernau mit seinen Kibbuz-Kumpels zu sehen ist. Als zwei der Männer bei „Unfällen“ sterben, wird ihm klar, dass die Erklärung für all das in seiner Vergangenheit liegt.
Atmosphäre vor Ort einfangen
Für ihre Bücher recherchiert Elisabeth Herrmann immer vor Ort. Ob in einem Berliner Antiquariat oder im Kibbuz: Ihr geht es um die Details und darum, die Atmosphäre ihrer Schauplätze einzufangen. „Bücher schreibt man nicht mit Feenstaub auf dem Kopf, das ist harte Arbeit“, plaudert sie nach der Lesung gut gelaunt aus ihrer Schreibwerkstatt. Wobei sie schon gern mal einen „dickleibigen, schwitzenden Kommissar nach Tonga“ verfrachten würde, um selbst auch in die Südsee zu kommen, kokettiert sie mit ihrer Reiselust. Offen für die Fragen des Publikums erzählte sie über ihren Werdegang, über Herausforderungen und Hürden sowie über neue Projekte, wozu ein weiteres Jugendbuch und die Verfilmung des „Totengebet“ gehört.