„Ich will nicht nur unterhalten, ich will berühren“

Regisseurin Sarah Winkenstette zu Gast beim SI-Club Gütersloh

„Wann ein Film gut ist oder brillant? Wenn etwas hängen bleibt, wenn er das Publikum bewegt oder vielleicht sogar etwas in dessen Meinung verändert. Ein Film kann handwerklich hervorragend sein oder ein tolles Drehbuch haben, aber wenn er den Zuschauer nicht berührt, dann ist er auch nicht gut.“ Ein klares Statement von Regisseurin Sarah Winkenstette. Die 42-jähige Filmemacherin und Drehbuchautorin aus Rheda-Wiedenbrück war zum jüngsten Online-Clubabend zu Gast bei den Gütersloher Soroptimistinnen. Im angeregten Austausch mit den interessierten Clubschwestern, gab sie nicht nur einen Einblick in ihren Werdegang, ihr bisheriges Schaffen und in die Herausforderungen, denen sich Frauen in der Filmbranche heute stellen müssen. Sie verriet auch Privates und etwas über künftige Projekte.

Die Rheda-Wiedenbrückerin hat ihre berufliche Karriere – nach einem Volontariat in der Gütersloher Medienfabrik und dem Besuch der RTL-Journalistenschule in Köln – als Journalistin begonnen.  Sie arbeitete für verschiedene Kinder-Fernsehformate im ZDF und WDR, darunter für „Die Sendung mit der Maus“. „Seitdem weiß ich, wie schwer es ist, in Kinoqualität zu drehen“, sagt WInkenstette. Trotzdem zog es sie an die Kölner Kunsthochschule für Medien, wo sie „auf Autorenfilm-Niveau“ studierte. Mit Erfolg. Ihr Abschlussfilm 2011 – „Gekidnappt“ - wurde gleich mehrfach ausgezeichnet.

Seitdem ist Sarah Winkenstette gut im Geschäft. TV-Auftragsarbeiten, darunter Folgen für die Jugendreihe „Schloss Einstein“, Mord(s)geschichten bei der „Soko Köln“ oder für die Kultserie „Großstadtrevier“, für die sie allein 2021 vier Monate in Hamburg drehte, garantieren ihr „Brot und Butter. Damit bezahlt man seine Miete. Außerdem macht es Spaß, in einem netten und vertrauten Team zu arbeiten.“

Und es schafft Freiräume für eigene Filme - wie für ihren hochgelobten Kinostreifen „Zu weit weg“. Eine packende, mittlerweile zigfach auf namhaften Festivals ausgezeichnete Geschichte über Flucht, Freundschaft und Integration. 2015 schon geplant, konnte die Regisseurin erst 2018 an die Umsetzung gehen. Denn obwohl mehr Frauen als Männer an den Filmhochschulen studieren, änderte sich damals das Geschlechterverhältnis nach dem Abschluss zu Ungunsten der Frauen.  „Wir wurden als Kinofilm-Regisseurinnen oft abgelehnt, weil man(n) uns den Umgang mit großen Budgets nicht zutraute“, erklärt Winkenstette.

 Das hat sich geändert.  Zum einen durch die Me-too-Debatte, die wie ein Erdbeben durch die Filmbranche ging. Zum anderen durch das von der Regisseurin Isabel Suba initiierte Netzwerk „Into the Wild“.  Ein Mentoringprogramm mit teils prominenten und erfolgreichen Patinnen wie Maria Furtwängler, das Frauen in der Filmbranche fördert und sie mit Seminaren zu Themen wie Selbstpräsentation, Leadership und Verhandlungsstrategien coached. „Da habe ich unter anderem einiges bei einem Workshop mit der Feministin und Facebook-Co-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg gelernt“, verrät Winkenstette.

Mit entsprechendem Selbstbewusstsein geht die Mutter zweier Söhne heute an ihre Projekte – egal ob es dabei um eine TV-Romanze  wie „Sommer an der Moldau“ oder um die Tragikomödie  „Rückkehr nach Rimini“ geht: „Filmen ist immer hierarchisch, das letzte Wort hat der/die Regisseur*in.“ Kinder als Schauspieler folgen dem bereitwillig. Sie machen einfach. Erwachsene Schauspieler kommen oft mit ganz eigenen Umsetzungsideen ans Set. „Da muss man dann schon überlegen, ob die dem Film wirklich nutzen oder ob sie nur dazu dienen, den Schauspieler ins rechte Licht zu setzen“, gibt Winkenstette zu. Und - klar - wollen die Sender bekannte, quotenbringende Gesichter unterbringen.

Würde sie auch mal gern mit Hollywoodgrößen wie George Clooney drehen? „Warum sollte ich solch einen Starmenschen in eine deutsche Produktion holen?“, gibt sich die Ostwestfälin überrascht. „Das verspricht weder eine bessere Zusammenarbeit noch ein besseres Ergebnis. Und es macht mich auch nicht zu einer besseren Regisseurin, nur weil ich mit ihm einen Film gedreht habe, oder? Ich will ja nicht nur unterhalten, ich möchte Menschen berühren.“

Dass die Filmbranche durch die immer stärker werdenden Streaming-Dienste derzeit im Umbruch ist, beunruhigt Sarah Winkenstette nicht. Als Regisseurin sieht sie darin auch Chancen. „Die Frage ist aber, was passiert mit dem Kino, wenn wir viele, gut gemachte Filme per Stream ins Wohnzimmer geliefert bekommen. Für mich ist das Kino ein Ort, in dem ich Filme pur, ohne störendes Handy oder klingelnde Waschmaschine genießen kann.“ Und deshalb arbeitet sie auch bereits an ihrem nächsten Kinofilm. 2022 wird gedreht. Titel und Geschichte sind noch geheim, aber die Förderanträge werden jetzt gestellt, am Casting  gefeilt. Man darf gespannt sein.

 


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