Abenteuerliche Reise ins Mittelalter

Liesborner Evangeliar fasziniert in spektakulärer Schatzkammer

Zu einer ungemein spannenden Reise ins Mittelalter haben die Gütersloher Soroptimistinnen kürzlich benachbarte Clubs und Freundinnen eingeladen. Die Reise führte in eine wahrlich spektakuläre Schatzkammer mit acht Meter hohen Wänden aus 22, je eine Tonne schweren Stahlplatten. Auf ihnen leuchteten dank des von außen eindringenden, strahlenden Lichts der Herbstsonne bekannte Stellen des Neuen Testaments und der Bergpredigt auf. Vier Kilometer Schrift, vier Kilometer in Stahl gefräste Glaubensbekenntnisse. Und mittendrin - hinter einbruchsicherem Glas - das Liesborner Evangeliar – eine der ältesten, vollständig erhaltenen Handschriften des frühen Mittelalters. Vor 1000 Jahren geschrieben, hat es nach einer 200-jährigen Odyssee durch Europa und Übersee endlich wieder zu seinem ursprünglichen Bestimmungsort zurückgefunden: in das Museum der ehemaligen Benediktinerabtei Liesborn.

Staunend verfolgten die Clubschwestern aus dem Kreis Gütersloh, aus Bad Oeynhausen, Bielefeld, Lippstadt, Erwitte und Werl sowie deren Gäste die Geschichte dieser Kostbarkeit, die Museumsleiter Dr. Sebastian Steinbach so eloquent wie informativ zu erzählen wusste. Im Handumdrehen saß man dank moderner Technik mit Karl dem Großen, der der Legende nach das Kloster Liesborn als Damenstift 799 gegründet hat, und seiner angeblichen Schwester Rotswindis unter einer mächtigen Eiche und lauschte ihren Erzählungen. Vom Leben im Frauenkloster bis hin zur Umwidmung in ein Männerkloster 1130. Fast 700 Jahre sollten die Benediktiner dort wirken – bis die Preußen 1803 im Zuge der Säkularisation alle Abteien im Königreich auflösten und deren Inventar versilberten.

Für die Schätze der Bibliothek – die heute von Besuchern digital wieder zum Leben erweckt werden können – bedeutete das den großen Ausverkauf. Für das Liesborner Evangeliar begann eine Irrfahrt in die unterschiedlichsten Sammlerhände – in Münster, Hamm, Cheltenham, Philadelphia, Camarillo, Los Angeles, Oslo, New York, Paris und Maastricht bis es 2015 auf einer Kunstmesse zum Kauf angeboten wurde und der Kreis Warendorf zuschlug. Für 3 Millionen Euro gekauft, kehrte es 2017 zurück nach Liesborn und ruht nun in dem faszinierenden Museumsanbau.

Die alte Pergamentschrift, für die immerhin 85 Rinder ihre Haut opfern mussten, gehört nun zum Kulturgut Deutschlands und steht als Teil des Nationalschatzes unter besonderem Schutz. Ist allein dieses Exponat schon mehr als sehenswert, so empfiehlt sich das Museum nicht nur mit interessanten Sonderausstellungen (aktuell über Anne Frank), sondern auch mit seiner effektvoll präsentiert Kreuzsammlung. Sie ist übrigens - einschließlich der Kostbarkeiten, die noch im Magazin ruhen - die größte in Europa. Kunst- und Kulturfreunde finden Exponate vom 14. Jahrhundert bis in die Neuzeit – einschließlich Werke von Francis Bacon und George Grosz. „Da sage noch einer, die Provinz wäre provinziell“ war die einhellige Bilanz aller Besucherinnen, die sich eingangs bei Sekt und Snacks auf die Führung eingestimmt hat und danach bei Kaffee und Kuchen das Erlebte in angeregten Gesprächen Revue passieren ließen. 

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