Als 2006 eine deutsche Reisegruppe aufgrund eines gerissenen Keilriemens in einem kleinen Dorf irgendwo in Sierra Leone strandete, sollte dies die Geburtsstunde eines starken Hilfsprojekts werden, das in einem Land, in dem es für acht Millionen Menschen nur 210 Ärzte gibt, eine besondere Stellung einnimmt. Denn das Projekt „Driving-YMCA-Doctor for Sierra Leone“ ist wegweisend geworden, weil es als mobile Einheit kostenlose Unterstützung für Schwangere, Säuglinge und Kleinkinder anbietet, denen es an medizinischer Grundversorgung mangelt.
Was damals – 2006 – die sechs Touristen an Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft erfuhren, stand im krassen Gegensatz zur überdeutlich sichtbaren Armut, offensichtlichen Krankheiten und desaströsen Infrastruktur: Barfuß laufende Kinder mit offenen Geschwüren und vereiterten Augen. Säuglinge, deren Überlebenschance durch leicht vermeidbaren Durchfall gemindert wird und schwangere Frauen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser. Abhilfe tat Not.
Und so wurde das Projekt „Driving Doctor“ ins Leben gerufen. Die Reisegruppe aktivierte Freunde in Sierra Leone und brachte das Projekt mit ihnen sowie in Zusammenarbeit und unter der Schirmherrschaft des YMCA auf den Weg. Noch im gleichen Jahr wurde ein geeignetes Fahrzeug erworben und sogar die Bundeswehr unterstützte das Projekt mit Sanitätsmaterial.
Seitdem unterstützen zahlreiche Unternehmen, Privatpersonen und auch der Club Soroptimist International Gütersloh das Projekt mit Spenden, damit die Driving Doctor eine aktive Gesundheitsversorgung für Kinder, werdende und stillende Mütter garantieren können. Die mobile medizinische Einheit betreibt zudem Aufklärung und Verhütung im Umgang mit HIV/Aids, Cholera, Ebola und Corona. Sie berät bei der Familienplanung, setzt sich gegen Beschneidung von Mädchen und Frauen ein. Sie schult die Dorfbewohner bezüglich Verbesserungen hygienischer Verhältnisse, bildet medizinisches Personal aus und schafft so neuem Arbeitsplätze für die Bevölkerung.
Im Dezember 2022 reiste Christoph Grauting, Beisitzer des Fördervereins „Driving-YMCA-Doctor“ nach Sierra Leone, um sich selbst ein Bild von der Situation zu machen. Sein erster Eindruck: „Die unvorstellbare Armut der Menschen und die Schönheit der Natur erschaffen hier ein Bild, dass nicht nur auf den ersten Blick sehr surreal wirkt.“
Aufgrund unbefestigter Straßen ging es – gefühlt – quer durch den Busch nach Magbankitha, dem ersten Dorf auf der Besuchsroute. Dort wie auch in Rogbere Gbana, einem Dorf, das während des Bürgerkriegs massiv unter der dort wütenden Miliz gelitten hatte, registrierten die Besucher aus Deutschland die Dankbarkeit der Bewohner für die medizinische Versorgung durch die mobile Einheit. Denn das nächste Krankenhaus ist stundenlange Fußmärsche entfernt. Und doch fehlt noch vieles: Nahrungsmittel genauso wie der Zugang zu Bildung. Es gibt noch viel zu tun in Sierra Leone.