Lokalnachrichten » Kreis Gütersloh » Gütersloh 27.03.2016 12:20
Krimipreisträgerin bittet zum „Totengebet“
Gütersloh (gl). Mord ist nicht ihr Hobby. Mord – und dessen spannungsgeladene Aufklärung – sind ihre Leidenschaft. Weshalb sie beides zu ihrem Beruf gemacht hat: Elisabeth Herrmann gehört zu den erfolgreichsten deutschen Krimiautorinnen. Just ist ihr jüngster Roman „Totengebet“ erschienen.
Es ist der fünfte Fall des schlitzohrigen Berliner Rechtsanwalts Joachim Vernau, den Jan Josef Liefers in den nicht minder erfolgreichen ZDF-Verfilmungen darstellt. Am Mittwoch, 6. April, präsentiert Elisabeth Herrmann diese Geschichte in Gütersloh. Auf Einladung des Clubs Soroptimist International (SI), weltweites Netzwerk berufstätiger Frauen, und der Buchhandlung Lesart, wird die Erfolgsautorin ab 20 Uhr in der Matthäuskirche, Auf der Haar, sich und ihren Roman vorstellen. „Die Glocke“ hatte vorab Gelegenheit zu einem Gespräch.
„Die Glocke“: Frau Herrmann, was hat sie zum Schreiben gebracht?
Herrmann: Ich habe als Journalistin für den RBB über ukrainische und polnische Zwangsarbeiterinnen recherchiert, die als Kindermädchen in Nazi-Familien tätig waren. 160 000 gab es, aber nirgendwo findet man etwas über ihr Schicksal. Ich bin bis nach Kiew gefahren, um mit den damals Betroffenen zu sprechen. Aber niemand wollte den Film. Deshalb schrieb ich „Das Kindermädchen“, eine berührende Geschichte im Krimiformat, die aber anfangs auch keiner wollte.
„Die Glocke“: Das heißt?
Herrmann: Ich habe es 50 Verlagen angeboten und ebenso viele formatierte Absagen erhalten. Beim 51. hat es dann geklappt. Das Buch wurde ein Riesenerfolg.
„Die Glocke“: Also braucht frau als Schriftstellerin Beharrlichkeit?
Herrmann: Ja, und die Erkenntnis, dass man sich von niemandem erzählen lassen sollte, was das Publikum angeblich gern liest und was nicht.
„Die Glocke“: Helfen Ihnen Ihre Erfahrungen als Journalistin beim Krimischreiben?
Herrmann: Ich habe sorgfältiges Recherchieren und ein gewisses Durchsetzungsvermögen gelernt. Das hilft natürlich. Aber einer Journalistin öffnen sich eher die Türen, als einer Krimiautorin. Da muss man sich schon das Vertrauen seines Gegenübers erarbeiten, um die gewünschten Auskünfte zu bekommen.
„Die Glocke“: Haben es Krimiautorinnen schwerer als ihre männlichen Kollegen?
Herrmann: Eindeutig ja! Es gibt in Deutschland vielleicht zwei oder drei Krimiautorinnen, die als feuilletonwürdig erachtet werden. Mich ärgert es zudem, wenn ich in Gesellschaft erzähle, dass ich schreibe, die Leute erst interessiert aufhorchen, sich dann aber abwenden, wenn sie erfahren, dass es dabei „nur“ um Krimis geht. Das ist wie ein Tritt vors Schienbein. Dabei weiß ich, dass ich den Ruf habe, Zeitgeschichte gut in Krimis gießen zu können.
„Die Glocke“: Wie reagieren Sie auf solche Klischees?
Herrmann: Ich sage immer: Krimis sind die ,Rotlichtszene des Literaturbetriebs‘. Alle kennen, viele lieben sie, aber keiner will in diesem Metier gesehen werden.
„Die Glocke“: Haben Sie manchmal Angst?
Herrmann: Sicher, ich grusel mich noch immer vor dunklen Kellern, weil ich früher als Kind die Kohlen von dort holen musste. Manchmal habe ich auch Angst vor Zurückweisung. Da bin ich sehr verwundbar. Ich hätte gern ein dickeres Fell (lacht). Ich habe Angst vor dem Tod, davor einen geliebten Menschen zu verlieren. Meine Tochter Shirin hatte beispielsweise geplant, am 23. März morgens von Brüssel aus in die USA zu fliegen. Doch dafür hätte sie im Vorfeld eine Übernachtung buchen müssen, weshalb sie den Flug stornierte, von München aus startete – und damit den IS-Bomben entgangen ist. Wie nah der Tod sein kann, das hat mich geschockt.
„Die Glocke“: Verarbeiten Sie so etwas in einem Roman?
Herrmann: Nein, solche privaten Gefühle sind für mich keine Initialzündung.
„Die Glocke“: Sie haben für die Verfilmungen ihrer Vernau-Krimis auch die Drehbücher verfasst. Wie unterscheidet sich das vom Romanschreiben?
Herrmann: Die Amerikaner sagen, man müsse für ein Drehbuch der Geschichte das Genick brechen. Da ist was dran. Man muss sich von vielen Ideen und Sätzen trennen, alles aufs Wesentliche reduzieren. Das ist schwer. Aber es ist auch eine bildende Aufgabe. Es hilft mir, im nächsten Roman noch klarer zu werden.
„Die Glocke“: Wie kommen Sie mit Jan Josef Liefers als Rechtsanwalt Vernau klar?
Herrmann: Er ist ein Glücksfall, auch menschlich. Zudem lenkt seine Darstellung die Aufmerksamkeit auf meine Romane. Ohne ihn wäre „Die siebte Stunde“, die Geschichte eines Amokslaufs an einer Schule, sicherlich nicht im Januar im Fernsehen gelaufen. Jugend-Geschichten werden nicht fürs Abendprogramm gedreht. Die öffentlich-rechtlichen Sender scheren sich einen Teufel um ihren Nachwuchs. Das ist schon bitter.
Welche Projekte die mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnete Elisabeth Herrmann an neuen Projekten plant, Spannendes aus ihrer Vita und weitere Hintergründe zu ihrem neuen Krimi „Totengebet“ lesen Sie in der Osterausgabe der Gütersloher „Glocke“.
Zur Person:
Elisabeth Herrmann wurde 1959 in Marburg geboren. Sie begann eine Ausbildung zur Bauzeichnerin, machte Praktika als Betonbauerin, Maurerin und Zimmermann. Danach stand für sie fest: „Ich mache Abitur“. Sie studierte „ein verheerendes Semester“ lang Architektur, wechselte dann zu Theaterwissenschaften und war in einer Dramaturgie-Hospitanz auf und hinter der Bühne am Frankfurter Schauspielhaus tätig. 1984 ging sie nach Berlin, arbeitete bei privaten Rundfunksendern ehe sie 1996 der Sprung zur Abendschau beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). 15 Jahre arbeitete sie dort, recherchierte Geschichten, drehte Drei-Minuten-Clips für die Nachrichten ebenso wie Reportagen und Dokumentarfilme. Und schrieb nebenher Geschichten. Mit dem Krimi „Das Kindermädchen“ gelang ihr 2005 der Durchbruch als Autorin. Für „Zeugin der Toten“ erhielt sie den Deutschen Krimipreis.
Karten:
Tickets für die Lesung (12 Euro inklusive Imbiss) sind im Vorverkauf in der Rhedaer Buchhandlung Lesart, Tel. 05242/45947, sowie an der Abendkasse erhältlich. Einlass ist ab 19.30 Uhr. Der Erlös der Veranstaltung kommt den „Driving Doctors“ zugute, einer medizinischen Hilfseinheit in Sierra Leone, die der Gütersloher Club Soroptimist, weltweites Netzwerk berufstätiger Frauen, unterstützt.
Quelle: Die Glocke online 27.März 2016